Sonntag, 14. Oktober 2012

Was die Weltwoche wirklich über die Genderstudies sagen wollte

von Evelyne

Also, da war doch was mit der Weltwoche letzte Woche. Haben wir zur Kenntnis genommen, jaja. Aber so wirklich ehrlich war das Ganze nicht: Was die Weltwoche wirklich über Andrea Maihofer und die Irrlehre Gender Studies sagen wollte, aber aufgrund der vermaledeiten political correctness dann doch nicht geschrieben hat (unten das Orginal):

Die Universität Basel war jahrhundertelang ein Hort der Herrschaftssicherung und Bildung für Männer aus der Oberschicht. Erasmus, Bernoulli, Burckhardt und so, das waren noch richtige Wissenschaftler! Aber dann ging es gehörig bergab. Wir deuten jetzt mal in einem Gedankenstrich an, was dann passiert ist: Zulassung der Frauen zum Studium – damit fing alles an. Und dann auch noch die Hippies und bewegten Studenten (aha und auch schon Studentinnen). Man weiss ja wohnin das geführt hat: Geschlechterforschung als eigenständiges Fach, beim Herrgott!

Gegen Frau Maihofer selbst können wir jetzt nicht wirklich viel sagen, wir wollen sie jetzt mal auch nicht auf persönlicher Ebene angreifen wie ihre Kollegen – wir sind da ritterlich galant. Aber sie ist ein Symbol, ja gar eine Allegorie (und das wissen wir ja, Symbole und Allegorien sind immer weiblich, da das Weibliche geschichtslos ist und wunderbar eine Funktion einnehmen kann - aber hier driften wir ja in die Geschlechterforschung ab, beim Herrgott!) für ein zeitgeistiges Modephänomen, das sich wie eine Epidemie ausbreitet. (Hier noch eine Krankheitsmetapher, das war die Idee vom Roger, genial der Mann, hat er sicher von seinem Freund, der sich mit Medizinhistorie auskennt). Also es ist ja so, dass diejenigen belohnt werden, die diesen Genderdings mitmachen. Also die machen Karriere, sieht man ja täglich. Und da das meist Frauen sind, ist das gleich doppelt ärgerlich. Gender Studies als Exzellenzkriterium und wer nicht mitmacht, wird bestraft. Ich sage es Ihnen, masssenweise Geld geht an die Geschlechterforschung, da wird mir ja schwindelig, da sind die Subventionen für die UBS ein Dreck dagegen, beim Herrgott!

So also nehmen wir jetzt mal die Krankheitsmetapher wieder auf: Die Geschlechterstudien wuchern landesweit an jeder Universität. Ein genialer Satz, zeigt die Geschwürhaftigkeit dieses unwürdigen Haufens. Also und jetzt kommts ganz dicke, jetzt listen wir noch auf, wie viele Gender-Vorlesungen es an den Unis gibt und was die für bescheuerte Titel haben, am besten noch mit Kommentar dazu. Also hier hab ich was gefunden, das klingt jetzt aber total nach Elfenbeinturm und unnütz, haha da werden unsere Leser gar nicht verstehen, worums hier überhaupt geht – also ich auch nicht, aber „Selbstaffirmierung und Othering in der europäischen Musikgeschichte“ das klingt also wirklich total abgehoben, beim Herrgott! Also diese Anderen, diese Genderstudies-Leute, die haben ja wohl den Kontakt zum normalen Wutbürger völlig verloren. Jetzt erwähnen wir noch die Dissertantin von Frau Maihofer, die über "den repressiven Umgang mit Linksterroristinnen in der Schweiz und das brüchige Wir des männlichen Staatsbürgers" promovierte, also der angeblich repressive Umgang, so ists besser. Gibt es noch Fragen? Also ich denke nicht, denn mein Ich und auch unser Wir ist gar nicht brüchig, dafür sorgen ich und meine Zeitung schon, beim Herrgott!

-----

Beschönigter Text in der Weltwoche:

Die stolze Universität Basel, die seit dem Ausgang des Mittelalters immer wieder die besten Köpfe angezogen und hervorgebracht hat – von Erasmus von Rotterdam über den Mathematikerclan der Bernoullis bis zum Historiker Jacob Burckhardt –, ist der erste und bislang «einzige Ort» der Schweiz, an dem man Geschlechterforschung «als eigenständiges Fach» studieren kann. Federführend ist das Zentrum Gender Studies, das Andrea Maihofer aufgebaut hat.

Die Geschlechterforscherin ist persönlich erfrischend offen und diskussionsfreudig. Aber sie repräsentiert ein zeitgeistiges Modephänomen, das sich wie eine Epidemie ausbreitet. Doch nicht nur das: Wer den Trend mitmacht und Forschung – wozu auch immer – unter dem Gender-Aspekt betreibt, erwirbt sich einen Zugangscode zu Karrieren, Fleischtöpfen, Fördergeldern. International, schreibt das Basler Zentrum, seien die Gender Studies «längst zum Exzellenzkriterium der Universitäten geworden». Wer mitsurft, wird ausgezeichnet. Wer sich widersetzt, wird abgestraft.

Daher wuchern die Geschlechterstudien landesweit an jeder Universität. Allein für das laufende Semester listet die Plattform www.gendercampus.ch 123 Gender-Vorlesungen auf. Die Uni Basel etwa bietet eine Ringvorlesung zu «Selbstaffirmierung und Othering in der europäischen Musikgeschichte» an. Eine Dissertantin von Andrea Maihofer promovierte mit der Arbeit «Gendering Terror» über den angeblich repressiven Umgang mit Linksterroristinnen in der Schweiz und das «brüchige Wir des männlichen Staatsbürgers». Noch Fragen?

Auch du, mother monster?

von Evelyne





Lady Gaga hatte letzte Woche ein Dinnerdate mit Wikileaks-Gründer Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London. Ich wage jetzt mal keine Beurteilung ihres Hexenhutes, aber muss doch die Frage in den Raum stellen, was das eigentlich soll. Irgendwie scheint beim Transparenz und Freiheitshelden Assange immer wieder vergessen zu gehen, weshalb er sich überhaupt in der Botschaft verstecken muss: Ihm wird in Schweden zweifache Vergewaltigung vorgeworfen, für die er sich dort vor Gericht verantworten müsste. Aus Angst vor einer Auslieferung in die USA, wo ihm eine Anklage wegen Verschwörung zum Geheimnisverrat droht, entzieht er sich nun seit Monaten der schwedischen Justiz. Verschiedene Zeitungen machen sich derweil in der Sache einen Wettbewerb daraus, die Vergewaltigungsvorwürfe als Verschwörung abzutun und Assange zum Freiheitskämpfer zu stilisieren. Nur selten wird überhaupt in Erwägung gezogen, dass die Vergewaltigungsvorwürfe berechtigt sein könnten. Typisch rape culture eben! Dem mutmasslichen Täter Assange wird wiederholt ein Forum geboten, indem er seine Zweifel am Rechtsstaat äussern kann und eine Verschwörung gegen ihn konstruiert und bedauert wird. Kaum eine Stimme fordert, dass er sich der schwedischen Justiz stellt, damit die Vorwürfe aufgeklärt werden können, bzw. damit eine Verurteilung erfolgen kann. Die schwedische Regierung hat längst versichert, dass sie Assange bei einer Drohenden Todesstrafe nicht an die USA ausliefern würden. Einem Rechtsstaat wie Schweden ist es zuzutrauen, Assange ein faires Verfahren zu ermöglichen.

Ein faires Verfahren haben die beiden Opfer Assanges bisher nicht erhalten. Sie wurden von den Medien vorverurteilt und als Lügnerinnen abgestempelt. Dabei hat Assange nach den Aussagen seines Verteidigers sehr wohl eine Frau penetriert, während sie schlief, was nur ohne ihr Einverständnis erfolgen konnte. Da sie am Tag zuvor konsensualen Sex hatten, wird dies aber in einer rape culture offenbar nicht als Vergewaltigung betrachtet. Dem Vergewaltiger wird das Recht zugesprochen, sich weiterhin am Körper der Frau zu bedienen. Im zweiten Fall bestand eine Frau, auf ein Kondom beim Sex, worauf Assange sie gewaltsam niederwarf und ohne Kondom penetrierte. Auch hier fehlt ganz klar der Konsens und macht diese Handlung zu einer Vergewaltigung. Hier wäre eine Diskussion über rape culture und darüber, wo eine Vergewaltigung beginnt, angebracht, diese findet aber in den Medien nicht statt. Die Vorwürfe werden kaum im Detail besprochen, sondern die Unschuld Assanges ohne Zweifel festgestellt.

Julian Assange hat mit Wikileaks Menschenrechtsverletzungen ans Licht gebracht und immer wieder geheime Regierungsdokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wovon diese ohne Frage profitieren konnte und ein genaueres Bild über die zum Teil fragwürdigen politischen Aktionen von legitimierten Demokratien erhalten hat. Dieser Verdienst hat aber keinesfalls mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen den Mann zu tun.

Leider werden gerade Leute, die sich in einem Bereich verdient gemacht haben, gerne voreilig von jeder Schuld freigesprochen. So auch geschehen im Fall Roman Polanski oder Dominik Strauss Kahn. Im ersteren Fall engagierten sich Künstler gegen die Verurteilung im Zweiten wurde ebenfalls eine Verschwörung vermutet. Bei Strauss-Kahn stürzten sich die Medien kurz nach bekannt werden des Falles auf das Opfer und untersuchten dessen Leben unter teilweise rassistischen und klassistische Implikationen. Nicht der Täter, sondern das Opfer musste sich verteidigen und rechtfertigen, wie es in einer rape culture immer wieder geschieht.

Besonders unverständlich ist, dass gerade linke Kreise sich in der Verteidigung dieser Männer hervortaten und hervortun. (Siehe beispielsweise dieser Text bei „mein Herz schlägt Links“: Vergewaltigung der Menschenrechte,, abgesehen davon wird in diesem Text das Wort Vergewaltigung in einem anderen Zusammenhang verwendet und damit funktionalisiert und marginalisiert.) Links sein bedeutet für mich, sich unbedingt aktiv gegen Sexismus einzusetzen. Leider geht das im Fall Assange, der offenbar eine Lichtgestalt der Transparenz darstellt, vergessen.
Ein bisschen Reflexion würde in diesem Fall nicht schaden. Schaut mit wem ihr euch an einen Tisch setzt, auch du, Mother Monster.

------------------
Nachtrag, 15.10.12: Die Basisgruppe Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Uni Wien hat einen offenen Brief an die künstlerische Leitung des “brut wien” geschrieben, welches im Oktober das Theaterstück “Assassinate Assange” aufführen wird. In diesem wird Julian Assange als entrechteter Märtyrer dargestellt.