von Jasmine
Ab nächstem Jahr gelten also die
Änderungen im Schweizerischen Namens- und Bürgerrecht. Über diese kurze Meldung
des Inkraftreten eines parlamentarischen Beschluss berichtete gestern der Tagi
online, in kürzester Zeit füllten sich die Kommentarspalten, unterdessen wurden
schon über 120 Äusserungen dazu abgegeben. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Wer-heiratet-behaelt-kuenftig-seinen-Namen/story/25262383
Auch ich empfand den Artikel,
beziehungsweise seinen Inhalt, als bedeutsam und teilte ihn gestern auf
facebook. Nach einer Diskussion mit meinem Freund und der Idee, wir könnten
einfach ab und zu unsere Namen Brangelina-like verschmelzen, liess mich die
Frage nicht mehr los, warum denn (Nach-)Namen überhaupt politisch debattiert
werden und weshalb die Änderungen im Namensrecht auf eine derartige öffentliche
Resonanz stossen.
Namen als Label für soziale Zugehörigkeit
Also wenn mensch sich das mal so
überlegt, ist ein Name eigentlich schon etwas Ungeheuerliches – er wird einem
bei der Geburt einfach ungefragt gegeben und er bleibt dann meist eine
Konstante im eigenen Leben. Namen sind somit in unserem gesellschaftlichen
Umfeld eine relevante Grösse für das Schaffen der eigenen Identität, wie dies
bei anderen nicht selbst gewählten Attribute wie Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität,
Schichtszugehörigkeit, etc. der Fall ist, in die ein Mensch hineingeboren wird
und mit denen sie sich arrangieren muss. Dabei sind Namen gerade auch mit
diesen sozialen Kategorien untrennbar verknüpft, weshalb die Debatte über sie
auch eine solche politische Sprengkraft hat: So zeugt das Misstrauen, das
„fremd klingenden“ Namen von Firmen (deshalb die Idee mit den anonymisierten
Lehrstellenbewerbungen) oder in einem konkreten Beispiel der Feuerwehr im Dorf,
wo ich aufgewachsen bin, die alle bis 30jährigen jährlich zu einem Treffen
aufbieten, ausser „die, mit den Namen, die man gar nicht aussprechen kann“ (Äusserung
eines Feuerwehrmitglieds, als er glaubte, unter Gleichgesinnten zu sein)
entgegengebracht wird, ohne die damit bezeichnete Person jemals kennengelernt
zu haben, zeugen von der Xenophobie, die in der Schweizerischen Gesellschaft
tief verwurzelt ist. Schliesslich entstammen auch die altschweizerischen Namen
wie Müller, Gerber etc. dem Wunsch nach Abgrenzung, die Wahl von bürgerlichen
Berufen als Familiennamen zeugt von der Vererbung gesellschaftlicher
Privilegien.
Und schliesslich – dieser Aspekt
wird im Zusammenhang mit dem neuen Namensrecht allerorts in einem Atemzug
genannt – über die Nachnamen konstituiert sich das Geschlechterverhältnis. Ein
neugeborenes Kind muss entweder auf einen eindeutig männlichen oder eindeutig
weiblichen Namen getauft werden, wobei dabei vom biologischen Geschlecht des
Kindes ausgegangen wird, da das Baby ja noch nicht über seine
Geschlechtsidentität verfügt, beziehungsweise darüber Auskunft geben kann
(nicht dass Abweichungen von cis-gender-Identitäten überhaupt jemals als Möglichkeit
erachtet würden). Und so bin ich also seit dem Tag meiner Geburt auf einen
Mädchenvornamen getauft, der so mit allergrösster Wahrscheinlichkeit mein Leben
lang in meinem Pass stehen wird. Dieses Gesetztsein meines Vornamens zeugt
dabei von meinem sozialen Privileg als cis-gender Inhaberin eines Schweizer
Passes – Trans-Menschen und Menschen ohne Papiere haben diese lebenslange
staatlich gesicherte Vornamensstabilität nicht (unbedingt).
Ach, wie gut, dass niemand weiss ... |
Namensstabilität als Indikator für soziale Privilegiertheit
Die grosse Neuerung, oder die am
meisten diskutierte ist die Gewährleistung der Namensstabilität für beide
Partner einer heterosexuellen Beziehung nach der Hochzeit. Das ist eine
eindeutige Aufwertung der Frau, die nun nicht mehr automatisch mit der Heirat
einen neuen Nachnamen und damit eine neue Familienzugehörigkeit erhält. Es wird
nicht mehr automatisch markiert, dass sie nach der Heirat nicht mehr zur
Familie ihres Vaters, sondern neu zur Familie ihres Mannes, bzw. zur neu
gegründeten Familie mit dem Namen ihres Ehemannes gehört. Der Normalfall, von
dem auf Wunsch hin problemlos abweichen werden kann, ist nun also: Heiratet
eine Frau einen Mann, bleiben beide namentlich Teil ihrer elterlichen (bislang
meist väterlichen) Familie, die Hochzeit bedeutet also auch für die Frau keine
Zäsur in ihrer Identität mehr.
Dies ist definitiv ein Schritt hin
zur Gleichberechtigung, und ich bin darüber sehr erfreut. Warum erinnere ich
mich aber während des Lesens des Artikels und des Diskutierens darüber daran,
wie ich mir in der Primarschule vorgestellt hatte, wie ich dereinst heiraten und
dann spannenderweise anders heissen würde?
Bis heute gefällt mir die Idee eines
neuen Namens, deshalb weil sie die Möglichkeit einer Neuerfindung beinhaltet,
ein altes Label abstreifen, ein neues anprobieren. Ich wurde bei vielen Namen
genannt in meinem Leben, wobei ich bereits im Kindergarten versucht habe, mir
einen neuen Namen zu geben, um cooler zu sein: Ich stellte mich vor als
„Jasmine, aber ihr könnt mich auch Jasskarte nennen“ (oje) J, später in der Primarschule
entstand mein Alter-Ego Liriana, das ich bis heute in literarischen Texten
gerne verwende, doch auch der Versuch, mich so nennen zu lassen, scheiterte. Doch
hatte ich in jeder Schulstufe einen anderen Namen, bei dem ich gerufen wurde.
In der Primarschule war ich Jasme, in der Oberstufe Jasi, in der Kanti dann
Jasmine, dann gibt es Menschen, die mich Jase nennen (ja, tatsächlich) und
einige die mich Heidi nennen (was ich auch sehr toll finde), ausserdem nennt
mich mein Freund bei Kosenamen, genauso meine Mutter, und eigentlich ist
Jasmine gar nicht mein erster Vorname, sondern nur mein Rufname, was des
Öfteren zu Verwirrungen führt, wenn ich beispielsweise beim Zahnarzt nicht mehr
weiss, unter welchem Namen ich registriert bin. So fest wie mein Vorname also
in meinem Pass steht, so fliessend ist seine tatsächliche Verwendung doing name
sozusagen. Somit erscheint es mir als irgendwie selbstverständlich, dass auch
die Idee eines neuen Nachnamens etwas Befreiendes hat, die Idee des
Mich-Umbenennens ist für mich Teil meiner Identität. Erstaunlich dabei ist, wie
diese Empfindung an der „Geschlechtergrenze“ aufzuhören scheint, ich glaube, es
ist etwas spezifisch weibliches, sich in diesem fliessenden Selbstverständnis
der Namens- und Identitätsgebung zu bewegen. Beziehungsweise etwas spezifisch
nicht-cis-gender-männliches, da Transmenschen damit noch in stärkerem Masse
konfrontiert sind oder sein können. Dies begründet sich darin, dass wir
nicht-cis-gender-Männer nie die Standard-Menschen sind, wir lernen, dass wir
uns ständig neu erfinden müssen oder können, es ist bei mir ein wichtiger Teil
meiner Identität, dass ich diese immer mal wieder ein wenig umwandle. Ich
wechsle meine Kleider, meine Frisur, meinen Musikgeschmack, wieso nicht auch
meinen Namen?
Kompliziert wird es allerdings, wenn
in den Kommentarspalten des Tagi online folgende Aussagen in ähnlicher Weise
vielfach zu lesen sind: „Ein weiterer Markstein im Niederreissen des
Status des Mannes.”, “Ja, endlich werden die Männer im Namensrecht
benachteiligt. (…) (Achtung:Ironie).” Warum stösst denn dieses Gesetzt anscheinend viele Männer vor den Kopf?
Es gelten ja nur nun auch für Frauen dieselben Regeln, wie sie für Männer schon
immer galten, es wird ja niemandem etwas weggenommen... Doch viele Männer
scheinen dies als Bedrohung wahrzunehmen, nur schon die Idee eines neuen
Nachnamens nach einer Heirat oder das Nichtweitergebenkönnen des eigenen
Nachnamens an die Kinder scheint ihre männliche Identität zu bedrohen. Er, der
Mann, der Standard-Mensch, will sich nicht neuerfinden müssen, denn er wird
nicht er ist. (Selbstverständlich spreche ich dabei von hegemonialer
Männlichkeit, nicht von „allen individuellen Männern“).
Familienzusammenhalt?
Wieder zurück zu mir und der Frage, weshalb
das mit dem Nachnamen überhaupt ein Thema ist, über das ich nachdenke. Die
Namensfrage scheint sich vor allem dann zu stellen, wenn in eine heterosexuelle
Beziehung/Ehe Kinder geboren werden. Wie sollen denn dereinst die Kinder
heissen, und überhaupt, wäre es nicht hübsch, ich als Mutter, mein Freund als
hypothetischer Ehemann und Vater und unsere hypothetischen Kinder hätten alle
denselben Nachnamen, würde es nicht unseren Familienzusammenhalt stärken, ein
wir-Gefühl herstellen? Ich bin immer mal wieder überrascht, wie diese
traditionalistischen heterosexistischen Ideen von Familien tief in mir drin
sitzen, obwohl ich so etwas im eigenen familiären Hintergrund gar nicht habe.
Ich war immer stolz, dass meine Familie aus Menschen mit verschiedenen Nachnamen
besteht – meine Mutter, deren Lebenspartner, mein Freund, dessen Mutter, sie
alle haben nicht denselben Nachnamen wie ich und gehören doch definitiv zu
meiner Familie.
Und wahrscheinlich ist es genau das
Verletzen dieser heterosexistischen Idee der einzig möglichen Familie als
Vater-Mutter-verheiratet-Kinder, was die Gemüter so erregt; wobei es ja nicht
um das Abschaffen, sondern einzig um das Denken von weiteren Modellen geht, es
geht eben nicht um Diskriminierung, sondern um Entdiskriminierung von
„alternativen“ Modellen. Doch das Durchbrechen von Normen gefährdet stabile
Machtverhältnisse, was niemals ohne Gegenwehr abläuft von der Seite jener,
denen Privilegien entzogen werden; die Tagikommentatoren, die in der neuen
Regelung eine Emanzen-Weltverschwörung sehen, gehören sicherlich zu dieser
Gruppe.
Dennoch ist es eigentlich wirklich
erstaunlich, wie gewisse Normen im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert
sind, und das Denken und Empfinden von Menschen prägen und beeinflussen, die
von jenen verbitterten Tagi-Kommentarschreibern meilenweit entfernt sind, und
dies obwohl diese Normen so längst nicht mehr gelebt werden. Alleinerziehende
Eltern, Paare ohne Kinder (egal welchen Geschlechts und Zivilstandes), gute
Freunde, Mehrgenerationenhaushalte, Homosexuelle Paare mit Kindern, sogenannte
Patchworkfamilien, wie die meinige, und so viele mehr – alles genauso valide
Formen von Familie. Dort wo sich Menschen lieben, solidarisch sind, einander
helfen, dort wo jedes Mitglied eingebunden ist und sich selber sein darf, sind
Nachnamen nicht das Ausschlaggebende für das Zusammengehörigkeitsgefühl.