Dienstag, 27. November 2012

Die exotisch-geheimnisvolle Scheherazade tanzt am Samstag an der ETH

von Jasmine

So, da steht nun schon seit ein paar Wochen eine riesige Wunderlampe vor dem ETH Zentrum Hauptgebäude, denn diesen Samstag findet mal wieder der Polyball statt. Diesmal unter dem wunderbar exotischen Motto:
SCHEHERAZADE - 1000 GESCHICHTEN UND EINE NACHT

Mit Wunderlampe - und ist das im Hintergrund etwa ein Minarett? In Zürich?!

wie auf der Homepage des Polyballs geschrieben steht:
"Wir möchten unsere Gäste in diesem Jahr in den märchenhaften Orient entführen, dort, wo die Grenzen zwischen Geschichte und Wirklichkeit fliessend sind und an jeder Ecke neue Eindrücke und Wunder warten." Aha, so ist das also.
und weiter:
"Denn dieses Jahr warten am Polyball die Geheimnisse des Orients darauf, von Ihnen gelüftet zu werden, die alten Geschichte werden Sie entführen in eine traumhafte, exotische Welt, die zum Tanzen, Feiern und Geniessen einlädt und Sie nicht mehr loslassen wird."

Und wenn der Orient dann schon das Motto des Abends ist, gibt es natürlich auch allerhand lustige orientalische Dinge zu tun. Von exotischen Speisen und Gewürzen, über Alladin und Karawanen, hin zu Ali Baba werden alle Klischees vom lüsternen exotischen Orient abgedeckt. Ja es gab sogar eine Werbeaktion mit Kamelen auf der Polyterasse (ja, ernsthaft!!):


Fast schon erstaunlich, dass nicht noch ein exklusives, geheimnisvolles Harem-Erlebnis für "den Zürcher Studenten" abgeboten wird. Obwohl die Anpreisung des geheimnisvollen Orients an ein "Sie", das als ein europäisches, schweizerisches, studentisches Sie gedacht wird, auch ohne Harem haarsträubend genug ist.
Es gibt da so eine Sache, die heisst Orientalismus, liebe Polyball-OrganisatorInnen. Und das Mystifizieren dieser geografischen Region, die es übrigens sehr real gibt und die kein Märchen ist, ist die eine Seite der Orientalismus-Medallie. Die andere Seite lautet schnell zusammengefasst in etwa folgendermassen: "Die unaufgeklärten Araber unterdrücken ihre Frauen." Es scheint sich bei diesen beiden Dingen nicht um dasselbe zu handeln, tut es aber doch, da über beide Wege - das Zelebrieren des erotischen, exotischen, geheimnisvollen Orient, wie auch über die sogenannte Kopftuchdebatte nicht nur eindeutig ein scheinbar homogener Raum geschaffen wird, der nicht hier ist, sondern dieser auch abgewertet wird. Denn auf diesen Raum lässt sich bequem alles hier (sprich im "Westen" oder in Europa) Unerwünschte projizieren: Er, der andere Ort, der Orient, ist nicht nach Regeln des rationalen Denkens (wie gerade die ETH dies ja bestimmt von sich behauptet) strukturiert, sondern konstituert sich über "niedere Triebe". Der gewalttätige "arabische" Mann auf der einen Seite, der (im Gegensatz zum "westlichen" Mann) seine Frau unterdrückt; die verführerische "arabische" Frau auf der anderen Seite (die sich gerne dem "westlichen" Mann und seinen heimlichen Begierden annimmt).
Womit wir bei Scheherazade wären. Sie ist die Frau, die in der Märchensammlung "Tausendundeine Nacht" als Erzählerin der einzelnen Geschichten auftritt. Sie erzählt die Geschichten um zu überleben, denn der von seiner Frau betrogene König lässt Scheherazade nur deshalb nicht nach der Hochzeitsnacht umbringen, wie viele Frauen vorher, weil sie eben so gut erzählen kann. Und das macht sie dann 1001 Nacht lang, wonach der König sich entschliesst, sie nun nicht mehr zu töten, weil sie ihn davon überzeugen konnte, dass Frauen klug und treu sein können (wenn sie es nicht sind, gehören sie ermordet). Und an dieser Stelle kommt mein Lesetipp - ein echt verdammt gutes Buch, das den bezeichnenden Titel "I Killed Scheherazade. Confessions of an Angry Arab Woman." trägt. Geschrieben von der libanesischen Schriftstellerin Joumana Haddad.

Buchcover

"Dear Westerner" schreibt sie und richtet dieses Buch direkt an die Leserschaft aus dem Westen und rechnet fulminant mit den Fremdzuschreibungen ab, die ihr als "arabische Frau" zugeschrieben werden: "I am not interesting because I am 'Arab'. I am not interesting beacause I am an 'Arab woman'. I am not interesting because I am an 'Arab woman writer'. (What a disastrous classification, especially for a label-phobic like me.)" Sie erzählt ganz im Sinne von das Persönliche ist Politisch ihre persönliche Geschichte und schreitet im letzen Kapitel zur Tat - zur Ermordung von Scheherazade, da der Mythos um sie verletzend und einschränkend ist.
Ich lasse euch gleich einen Teil dieses letzen Kapitels lesen (weil's so schön und gut ist), vorher aber nochmals zurück zu den PolyballorganisatorInnen: Nächstes Mal vielleicht überlegen, ob das-so-tun-als-wären-wir-zu-Besuch-in-einem-fremden-"Land" wirklich so eine gute Idee ist. Und ich kann euch die Antwort gerade geben: Nein. Bitte nächstes Mal nur ein klitzekleines Bisschen mehr Feingefühl und Reflexionswillen an den Tag legen. Ich meinerseits verkleide mich am Samstag Abend jedenfalls nicht als Jasmine, um mit Alladin auf seinem fliegenden Teppich Wasserpfeife zu rauchen. Und alle die das Lesen: Das besagte Buch ist eine sehr gute Alternative!

Und hier also das versprochende Zitat von Joumana Haddad:
"I've never been a big fan of Scheherazade. (...) You see, Scheherazade is constantly celebrated in our culture as an educated woman who was resourceful, and imaginative, and intelligent enough to save herself from death by bribing 'the man' with her endless stories. But I've never really liked this 'bribing the man' scheme. For one thing, I believe it sends women the wrong message: 'Persuade men, give them the things that you have and they want, and they'll spare you.' Correct me if I'm wrong, but it seems obvious that this method puts the man in the omnipotent position, and the woman in the compromising, inferior one. It does not teach women resistance and rebellion, as implied when the character of Scheherazade is discussed and analysed. It rather theaches them concession and negotiation over their basic RIGHTS. It persuades them that pleasing the man, wheter by a story, or a nice meal, or a pair of silicone tits, or a good fuck, or whatever, is the way to make it in life.
And this is considered inventiveness?
And this is considered resistance?
Call me short-sighted, but I don't think so.

I've never been a big fan of Scheherazade - who, to make matters worse, is nauseatingly cherished by the Orientalists - even though I really loved reading and re-reading The Arabian Nights. Her character, I am convinced, is a conspiracy against Arab women in particular and women in general. Obviously, the poor lady did what she had to do. I am not judging her for that. In fact, I might have very well done the same, had I been in her delicate position. I've just had enough of people (especially in the West, but in the Arab world as well) turning her into a heroine, the symbol of Arab cultural female opposition and struggle against men's injustice, cruelty and discrimination. She's just a sweet gal with a huge imagination and good negotiation skills. Things simply needed to be put into their right perspective.
Thus, I killed her."

Samstag, 24. November 2012

Wünsche erfüllen

von Jasmine


Nachdem ich heute diesen Artikel gelesen habe : feministisches Burnout, dachte ich, ich schreibe jetzt mal über was Schönes. Werbung ist ja nicht dafür bekannt, kritisch gesellschaftliche Gegebenheiten zu hinterfragen, sondern (offensichtlich) dafür, dass sie etwas verkaufen will. Umso erfreulicher, wenn darin (Geschlechter-) Stereotype gebrochen werden, wie bei dieser Migrosbank-Werbung, die auf dem Tagi-Online zuoberst angezeigt wird seit ein paar Tagen:

  
da taucht ein Typ auf, in Lederhosen und T-Shirt, in einer rosa Welt

und kriegt die Möglichkeit, sich Wünsche zu erfüllen

und wünscht sich ein rosa Tütü, was er auch bekommt

in seinem zweiten Wunsch

wünscht er sich dann ein Motorrad

und im dritten seine Freunde, die sich mit ihm an seinem Tütü und seinem Motorrad erfeuen


Und dies alles ganz ohne unterschwellig transphobe/sexistische Botschaft. Ein Mann kann also sowohl ein Tütü anziehen, Motorrad fahren und Freunde haben. Und wer weiss, vielleicht braucht er dazu ja nicht einmal dieses Online-Sparbuch der Migrosbank? Oder ist das dann doch zu rosarot gedacht?


Donnerstag, 1. November 2012

Spuren eines Mad Man im Tages Anzeiger

von Evelyne



Heute früh war ich im Tram unterwegs zu meinem Assistentinen-Job, da fiel mein Blick auf dieses Inserat des Tagesanzeigers im Züritipp: „Was, wenn ihre Sekretärin einen spannenderen Job hat als Sie?“ Wird da gefragt. Es soll wohl Führungskräfte mit eigener Sekretärin dazu animieren darüber nachzusinnen, wie erfüllend ihr Job wirklich ist. Denn was wäre schlimmer, wenn sogar noch die Sekretärin interessantere Aufgaben hätte als der gutbürgerliche Arbeitnehmer?
Dieses Inserat bedient sich des alten sexistischen Klischees der Sekretärin, die unter Verfügungsgewalt steht und als Tippse eigentlich nur niedrige Arbeiten verrichten sollte. Ein Bild direkt aus den 50er Jahren – wohl zu viel Mad Men geschaut lieber Werber.
Der Satz impliziert die Vorstellungen, dass es Grund zur Sorge gibt, wenn die untergebene Frau interessantere Aufgaben ausführt als MAN selbst. Die gute Sekretärin muss natürlich auch weiblich sein, damit die Abwertung richtig zur Geltung kommt.
Ganz abgesehen davon transportiert das Inserat die Botschaft der gutbürgerlichen Arbeitsmoral, die nicht gebrochen werden darf. Ein Job muss vorhanden sein, auch wenn er vielleicht sehr langweilig ist – aber die Arbeitslosigkeit wäre noch eine grössere Abwertung als Sekretärin zu sein. Also bleibt nur noch der Jobwechsel; natürlich nur für die Führungskraft, nicht für die Sekretärin, die soll weiter tippen bis in alle Ewigkeit.
Das Inserat richtet sich an eine bestimmte privilegierte Gruppe von Lesern, die eine Sekretärin ihr Eigen nennen können. Zeigt das auch, welche Leserschicht der Tages Anzeiger sonst ansprechen möchte? Leute, die wie ich einen Assistentenjob ausführen (der ganz im übrigen spannend ist) werden ausgeschlossen und marginalisiert.

Naja, auch die machistischen Werber in der Serie Mad Men kriegen irgendwann die Quittung und werden wegen ihren antiquierten Ansichten durch Karrierefrauen und gegenwartsgerichtetere Karrieremännern ersetzt. In dem Moment bleibt ihnen wohl das Lachen über die Sekretärin im Halse stecken.